Reverse Disruption: Beginnt die analoge Zukunft jetzt?

Neue Technologien, die verbesserte Funktionen ermöglichen, sorgen dafür, dass alte Lösungen oder sogar komplette Industrien vom Markt verschwinden. So lautet zumindest die Regel. Keine Regel ohne Ausnahme: Die Schallplattenverkäufe steigen. Wie kann das sein?

Nach 20-25 Minuten heißt es: Schallplatte umdrehen – es sei denn, man ist im Besitz einer der seltenen selbstdrehenden Plattenspieler (bspw. Sharp Optonica RP-114), dann hat man doppelt so lange Zeit. Über MP3 und Streaming ist man heute endlose Musikbeschallung gewohnt. Und dann solche Nachrichten: Verkaufszuwächse von 50 Prozent in Deutschland, in Großbritannien wird 2016 der höchste Stand an Schallplattenverkäufen seit 1991 erreicht. Und als Auszug aus der Technics Webseite: „Die analoge Zukunft beginnt jetzt“ – Der Grand Class SL-1200G, ein analoger Plattenspieler mit Direktantrieb, kehrt zurück. Und zurück kehrt auch der im Bild gezeigte VW T1 Soundwagon (oder Vinyl-Killer), sowohl als Record-Runner als auch in leicht aktualisierter Form als Rokblok.

Doch was treibt Kunden dazu, zu älteren Technologien zurückzukehren, obwohl neuere Lösungen scheinbar deutliche Vorteile haben? Hier drei ausgewählte Begründungen im Falle der Schallplatte (auch dargestellt im Buch Lost Music von Mario und Marlene Buchinger):

  • Qualität – Schallplatten klingen besser: insbesondere bei kleinem Speichervolumen und Streaming wird das Klangbild reduziert und die Qualität liegt unter der des unkomprimierten Formats (auch wenn unsere Kollegen vom Fraunhofer IIS kontinuierlich daran arbeiten…). Darüber hinaus heißt es, dass der Lautstärkeumfang bei Schallplatten detaillierter ausgeprägt ist.
  • Haptik – Schallplatten kann man anfassen: Haptisch haben Schallplatten klare Vorteile – was wohl jeder bestätigen kann, der schon einmal eine MP3 Datei in den Fingern hatte…
  • Art des Konsums – Schallplatten führen zu bewussterem Musikhören: Schallplatten wird nachgesagt, dass sie die bewusstere Auswahl von Musik und damit das bewusste Konsumieren fördern – nicht zuletzt durch die Verbindung vordefinierte Verbindung von einzelnen Stücken in Alben oder Sampler.

Parallelen zur Musikbranche finden sich auch in der Uhrenindustrie (bspw. der Wandel im Unternehmen Zenith, beschrieben in brandeins 10/2016) oder in der Fotografie (siehe bspw. Polaroid Sofortbildfotografie im Impossible Project, Lomo’Instant Automat  oder Leica Sofort).

Die analoge Zukunft wird die Geschichte wohl nicht umdrehen – aber in Nischen ein berechtigtes Dasein führen. Eine Anregung vielleicht dafür, dass lange gepflegtes (technologisches) Wissen im Falle einer Disruption durchaus erhaltenswert sein kann…auch wenn es bis zur Wiederverwendung etwas Zeit im Untergrund (oder auf dem Dachboden) verbringen muss.

Weitere Informationen:

Sven Schimpf

Praxisstudie disruptive Technologien und Roadmapping

Disruptive Technologien und die daraus entwickelten Innovationen haben das Potenzial, etablierte Unternehmen am Markt in ihrer Existenz zu bedrohen oder diese nahezu vollständig vom Markt zu verdrängen. Die Identifizierung, Bewertung und Verwertung potenziell disruptiver Technologien (PDT) stellen besondere Herausforderungen für Unternehmen dar. Ziel der „Praxisstudie Disruptive Technologien und Roadmapping“ ist es, mehr über den praktischen Umgang mit diesen PDTs in Unternehmen zu erfahren und insbesondere im Umgang mit PDTs im Rahmen des Roadmapping.

Da sowohl in der Literatur, als auch in der öffentlichen Wahrnehmung unterschiedliche Auffassungen von disruptiven Technologien bzw. Innovationen existieren, werden diese nachfolgend in Anlehnung an Clayton M. Christensen sowie an Erwin Daneels definiert. Die Fragen im Rahmen dieser Umfrage beziehen sich auf diese Definition:

Disruptive Technologien sind Technologien, die bisherige Technologien verdrängen und deshalb den Wert von Investitionen etablierter Unternehmen (Incumbents) in bestehenden Märkten zerstören. Dies beinhaltet disruptive Innovationen die durch den Einsatz disruptiver Technologien entstehen. (Diskussion der Begriffsklärung Teil1:http://s.fhg.de/qX8 und Teil2: http://s.fhg.de/rN7)

Die Studie besteht aus acht Seiten, die in ca. 10-15 Minuten beantwortet werden können. Teilnehmer der Studie erhalten im Nachgang eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Auswertung und weitere Verwendung der Angaben erfolgt in anonymisierter Form. Persönliche Daten werden nur zum gewünschten Zweck entsprechend den Datenschutzrichtilinien des Fraunhofer IAO verwendet (bspw. zum Versand der Studienergebnisse). Allen Teilnehmern der Studie wird eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zur Verfügung gestellt.

 Verlängert bis zum 28. Februar 2017!

Wir bedanken uns für Ihre Teilnahme!

Hier der Link zur Umfrage: http://www.ost.iao.fraunhofer.de/roadmap/

Sven Schimpf